Ein „kleines“ Virus stellt unser komplettes Leben auf den Kopf. Was vor ein paar Wochen noch unvorstellbar war, ist nun Realität geworden. Wir müssen zu Hause bleiben, sämtliche sozialen Kontakte auf ein Minimum begrenzen, ins Homeoffice gehen, unsere Freizeitaktivitäten einschränken oder ganz aussetzen und so vieles mehr. Unser Leben wird bestimmt von dem Corona Virus (SARS-CoV-2)!

Was vor einiger Zeit noch selbstverständlich war und zum guten Ton gehörte, ist nun in Zeiten von Corona passé. Das Begrüßen mit Händeschütteln, eine kurze Umarmung, der Kuss auf die Wange – all dies ist nun tabu. Alles ist anders, auch die Umgangsformen, woraus sich ein „Corona-Knigge“ entwickelt hat.

Es gelten nun andere, neue Regeln im Umgang miteinander: Keine Berührungen mehr, Nies- und Hustenetikette beachten, Abstand halten, kontaktlos bezahlen, Einkaufswagenpflicht…

Im direkten persönlichen Kontakt wussten wir immer, wie wir miteinander umzugehen haben, nämlich höflich und respektvoll. Den Menschen ins Gesicht schauen, Blickkontakt halten. Doch wie sieht das jetzt in unserer „neuen“ digitalisierten Welt aus? Wie gehe ich mit der neuen Methode des „social distancing“ um?

Es sind besondere Herausforderungen in dieser Krise an die Menschen, speziell im sozialen Umgang miteinander.Seit dem zweiten Weltkrieg hat es kaum eine andere Situation gegeben, die unsere Gesellschaft so sehr in Angst und Unruhe versetzt hat, wie jetzt dieses Corona Virus. Solidarität ist nun gefragt, an andere denken, Rücksicht nehmen, Einschnitte in die persönliche Freiheit hinnehmen, Verantwortung tragen, sich selbst zurücknehmen und an die Schwächeren denken. Nur gemeinsam kommen wir durch diese schweren Zeiten.

Adolf Freiherr Knigge hat vor über 200 Jahren mit seinem Werk „Über den Umgang mit Menschen“ Aussagen getroffen, die gerade heute noch Gültigkeit haben und teilweise aktueller sind als zuvor. Seine Grundgedanken sind vielschichtig und zeitlos wenn es um den Umgang miteinander und die innere Haltung geht. Ihm ging es vor allem um Wertschätzung, Rücksichtnahme und einen höflichen guten, respektvollen Umgang miteinander.

Im zwölften Kapitel seines Buches über das Betragen bei verschiedenen Vorfällen im menschlichen Leben sagt er:

“Ich habe bei mancher Gelegenheit Gegenwart des Geistes und Kaltblütigkeit als Haupterfordernisse zu allen Geschäften und Verrichtungen im menschlichen Leben empfohlen; nirgends aber sind uns diese Eigenschaften notwendiger, als in Vorfällen, wo wir, oder andre, in augenscheinlicher Gefahr schweben. Hier hängt die ganze Rettung in kritischen Augenblicken zuweilen von einem raschen Entschlusse ab. Halte dich daher nicht mit Geschwätzen auf, wo es Not ist, zu handeln! Unterdrücke nicht dein zartes Gefühl, und winsele nicht, wo du zugreifen solltest!“

Alte Werte erleben nun tatsächlich eine Renaissance! Wie wahrt man nun in Zeiten des Corona-Virus trotzdem Höflichkeit, Respekt und Anstand? Höflichkeit bedeutet umsichtig im Umgang mit Menschen zu sein. Das wiederum heißt, es tunlichst zu vermeiden andere Menschen (und natürlich sich selbst) mit dem Virus anzustecken. 

Besondere Herausforderungen bedürfen deswegen ungewöhnliche Handlungen!

Folgende könnten das sein, bedürfen aber der regelmäßigen Überprüfung in den Fachkreisen bzw. auf den Internetseiten der Bundesregierung, da sich diese teilweise wöchentlich ändern.

  1. Die erste und wichtigste Regel ist ohnehin: Behalte deinen gesunden Menschenverstand!

Die meisten Menschen verhalten sich sehr zurückhaltend und zuvorkommend, fast ein bisschen ängstlich, da man ja nichts falsch machen möchte. Anstatt die Menschen freundlich anzuschauen, sehen die meisten eher auf den Boden oder weg. Bloß keinen Kontakt herstellen. Dabei ist die Ansteckungsgefahr im Freien noch am geringsten und ein freundlicher Blick oder nettes Wort hat bisher noch niemandem geschadet.

  1. Ohne Handschlag höflich bleiben und das mit einem Lächeln

Auch ohne Handschlag können Sie höflich und freundlich sein. Ein Winken und ein Lächeln schätzt jeder in dieser Situation. Wird einem die Hand gereicht, dürfen Sie freundlich darauf hinweisen, dass Sie aufgrund der jetzigen Situation gerne darauf verzichten möchten. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.

Der Elbump“ (Ellbogen aneinanderstoßen) sollte nicht unbedingt benutzt werden, da man ja in den Ellenbogen hustet oder niest. Ein „Namaste“ (die eigenen Hände aneinanderlegen) wie in Indien ist da schon eher angebracht. Außerdem ist es immer gut bei der Begrüßung seine Mimik mit einem Lächeln einzusetzen. Ein Lächeln bringt immer ein Lächeln zurück.

Frei nach dem Motto: Lächeln ist nicht ansteckend!

Oder so wie die Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Pressekonferenz zum Thema Corona Virus sagte: „Dafür eine Sekunde länger in die Augen gucken und lächeln, und nicht schon mit der Hand beim Nächsten sein, ist auch eine gute Möglichkeit.“

Die sogenannte „Ghettofaust“ ist natürlich auch nicht erlaubt (direkter Körperkontakt), Selbst das Anstoßen ist in Corona Zeiten wegen der nicht gewährten Distanz nicht erlaubt.
  1. Abstand halten

Was derzeit überall im öffentlichen Raum gilt, muss auch in den Geschäften befolgt werden: Halten Sie genügend Abstand zu anderen Menschen - mindestens 1,5 bis 2 Meter. Wie viele Kunden sich gleichzeitig in einem Geschäft aufhalten dürfen, hängt von der Größe des jeweiligen Raumes ab. Eine Schlange vor den Geschäften ist mittlerweile kein seltenes Bild mehr und auch da ist es wichtig den nötigen Abstand von 1,5 bis 2 Metern einzuhalten.

  1. Zu Hause bleiben

Soziale Kontakte auf ein Minimum beschränken. Nur wirklich das Nötigste „draußen“ erledigen wie: Einkaufen, Arztbesuche, mit dem Hund Gassi gehen…

  1. Homeoffice

Mit dem Virus und den daraus resultierenden (Gegen-) Maßnahmen ergeben sich eine Vielzahl von Problemen ungewöhnlichen Ausmaßes. Neue Arbeitsweisen, Umstrukturierungen, die Wohnung als Homeoffice, all das sind neue Herausforderungen für jeden und damit muss man sich erst einmal arrangieren. Erreichbarkeit, Zuverlässigkeit und Selbstdisziplin sind dabei besonders wichtig. Ganz davon abgesehen, müssen wir die technischen Möglichkeiten haben, um überhaupt ins Homeoffice starten zu können. Ein guter Arbeitsplatz ist dabei sehr wertvoll, egal ob es das vorhandene Arbeitszimmer ist, der Küchentisch oder das Sofa, Sie müssen sich dabei wohl fühlen. Wichtig dabei sind eine gute Internetverbindung und ein Telefon.

Ebenfalls sollte man flexiblere Zeiteinteilungen vornehmen, z.B., wenn Kinder da sind oder andere Dinge dazwischenkommen. Die Kommunikationswege müssen geklärt sein (Besprechungen, Pausen Meetings…).

Kunden sollten Sie mit einer freundlichen Information per E-Mail transparent auf die aktuelle Lage und mögliche Konsequenzen hinweisen. Bieten Sie Informationsgespräche per Telefon oder Videokonferenzen an.

  1. Hygieneregeln befolgen

Niesen oder Husten sollte man nicht in die Hand, sondern in ein Taschentuch oder in die Ellenbogenbeuge. Regelmäßiges Händewaschen sollte zur festen Gewohnheit werden - mindestens 30 Sekunden lang mit Wasser und Seife. Wer das befolgt, braucht zu Hause kein Desinfektionsmittel.

Eine Schutzmaskenpflicht gibt es beim Einkaufen und im öffentlichen Nahverkehr!

Ein selbstgenähter Mundschutz oder Schal würde auch helfen (nach Gebrauch waschen und bügeln, um Keime zu vernichten!). In Geschäften und Betrieben ist es wichtig die Hygienevorschriften einzuhalten und wirksame Schutzmaßnahmen umzusetzen.

Bitte nicht vergessen häufig genutzte Gegenstände am Arbeitsplatz (Tastatur, Laptop, PC, Telefon…) und zu Hause (Schränke, Türgriffe, Türen, Schubladen, Tische…) gut zu desinfizieren. Auch regelmäßiges Lüften sorgt für ein angenehmes Raumklima.

  1. Einkäufe/Hamsterkäufe

Darauf achten nicht alles anzufassen und wieder zurückzulegen. Immer nur das kaufen was wirklich gebraucht wird und nicht ganze Vorräte für die nächsten drei Monate. Wir haben das Privileg in einem Land zu leben, wo es keine „Mängel, Waren Not“ gibt und reichlich Vorräte vorhanden sind.

„Wo der bescheidene Arme im Verborgenen seufzt, es nicht wagt, sich herbeizudrängen und um Hilfe zu bitten, (...) dahin dringe dein Blick!“-Adolph Freiherr  Knigge

  1. Kinder

Klare Strukturen im Alltag geben Halt und Sicherheit für Kinder. An den Wochenenden besondere Erlebnisse/Unternehmungen mit den Eltern ist etwas worauf sich Kinder freuen. Lernangebote von Schulen wahrnehmen, Kreativität anregen, Spiele spielen, zusammen kochen und backen, auch mal einen Film zusammen schauen, oder Neues am PC lernen, Kinder versuchen in den Haushaltsalltag miteinzubinden. Der Tag wird dadurch natürlich nicht kürzer aber vielleicht ein kleines bisschen spannender. 

“Sei dir ein angenehmer Gesellschafter. Mache Dir keine Langeweile, daß heißt, sei nie ganz müßig.”-Adolph Freiherr Knigge 

  1. Respekt und Abstand: Reflektion und Anwendung

Auch für Erwachsene gilt für Abwechslung sorgen. Die Situation vielleicht als Chance sehen, Zeit sich mit Dingen zu beschäftigen für die man vorher vielleicht keine Zeit hatte: etwas neues Lernen, ein Buch lesen, eine neue Sprache lernen, ein Musikinstrument spielen lernen, in Wohnung/Haus renovieren oder aufräumen, im Garten arbeiten, mal wieder Spiele spielen oder einfach mal Zeit für sich haben.

Eben das Beste aus der Situation machen! 

  1. Umgang mit Kranken

Ausdruck für ein soziales Miteinander konnte man schon bei Adolph Freiherr Knigge in dem Kapitel “Über die Art Kranke zu behandeln” lesen und lernen: 

“Es gibt Krankheiten, in welchen Aufmunterung des Gemüts, Zerstreuung und angenehme Unterhaltung sehr viel zur Genesung beitragen, und hingegen andre, bei denen Ruhe und stille Wartung das einzige sind, wodurch man dem Leidenden Linderung verschaffen kann.”-Adolph Freiherr Knigge 

Im Umgang mit Ärzten findet man dort dazu: 

“Fordert die Not, daß du dich an einen Doktor wendest, so (...) verschweige auch nicht den kleinsten Umstand, der dazu dienen mag, ihn mit dem Zustand und mit dem Sitz deines Übels vertraut zu machen. Folge streng und pünktlich seinen Vorschriften. Den Mann, der alles anwendet, was in seinen Kräften steht, deine Gesundheit herzustellen, belohne nicht sparsam. Gib ihm reichlich nach deinem Vermögen.”-Adolph Freiherr von Knigge

  1. Dank

Allen Mitarbeitern in den Supermärkten, Drogerien, Apotheken, Bäckereien, Baumärkten, Pflegediensten, Krankenhäusern, LKW-Fahrern und vielen anderen, die trotz der allgegenwärtigen Risiken ihre Arbeit für uns verrichten, gilt es Danke zu sagen. Durch anständiges Verhalten und Disziplin unsererseits sollten wir diesen Menschen ihre Arbeit erleichtern.

“Die Dankbarkeit ist ein Gefühl, welches das Herz veredelt und bessert, wohltätig für den, der empfängt, wie für den, welcher gibt.”-Adolph Freiherr Knigge 

Trotz der überwiegend negativen Schlagzeilen in dieser Zeit, kam man irgendetwas Positives daraus mitnehmen?

In meinem Freundes-und Kollegenkreis habe ich diese Frage mal gestellt und überraschende Antworten bekommen:

  • Mehr Zeit für sich
  • Zeit für Dinge, für die man vorher eben keine Zeit hatte
  • Das Wesentliche mehr im Blick haben
  • Merken, was wirklich wichtig ist im Leben
  • Dass, was man hat mehr zu schätzen/genießen wissen
  • Dankbarkeit
  • Demut
  • Wie wichtig die Gesundheit ist
  • Mehr Zeit für die Familie
  • Gemeinsame Essen, Spiele, Spaziergänge, Gespräche
  • Die Natur erholt sich
  • Punkte für den Klimawandel
  • Weniger auf den Straßen los – weniger Unfälle
  • Wie gut es uns in Deutschland geht
  • Die Heimat mit anderen Augen sehen

Die Liste könnte noch länger fortgeführt werden, aber das würde wohl den Rahmen hier sprengen.

Das Thema Corona wird uns noch länger begleiten und es wird einiges in der Welt verändern. Vielleicht auch unsere Sicht auf Menschen, Kulturen, Wirtschaft, Politik, Gesundheit…

Die Welt wird nicht mehr die sein, die sie vor Corona war. Aber um den Bericht mit einem Zitat von Knigge zu beenden: 

„Alles in der Welt geht vorüber; alles läßt sich überwinden durch Standhaftigkeit; alles läßt sich vergessen, wenn man seine Aufmerksamkeit auf einen anderen Gegenstand heftet“-Adolph Freiherr Knigge 

In diesem Sinne, wir hoffen das Beste, bleiben Sie gesund.

 

Dipl.-Ing. MM Elke Schönenberg-Zickerick, Lehrbeauftragte für besondere Aufgaben und Vorstandsmitglied im Verein der Freunde

Fotos: Bernd Gabriel Fotografie, info@bernd-gabriel.de